Bergen ist Unesco Weltkulturerbe. Eine Bekannte die im touristischem Zentrum, dem alten Handelsviertel „Bryggen“ arbeitet, bezeichnet die Gegend vermutlich passend als „Disneyland“. Der schöne Schein der pulsierenden Touristenstraßen wird gewahrt, während ein paar Gassen weiter, der Zustand der Häuser und Straßen schon nicht mehr so einladend erscheint. Doch auch diese Bereiche werden von Menschen frequentiert – keine Touristen – aber von Einheimischen und nicht zu letzt von jenen, die in diesen Vierteln leben. Leben bedeutet nicht, eine Stadt gleich einem touristischen Museum zu erleben, sondern den alltäglichen Umgang mit seiner Umgebung „Stadt“. Ein Ausdruck dieser Lebensweise im hier und jetzt ist die inzwischen als Gegenwartskunst anerkannte Street Art.

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C215 (London) stattete Bergen einen Besuch ab.

Platz für Neues

Keine Kunst ohne Grundlage. Wenn man sich das Gebäudematerial in Bergen vor Augen führt, hat man zum einen noch relativ große Stadtviertel mit alten hölzerner Bausubstanz und zum anderen auch viertel mit Betonblockbausünden der 70er und 80er Jahre. Interessanterweise scheint es ein ungeschriebenes Gesetz der Street Art Künstler in Bergen zu sein, dass die alten Holzhäuser nur in sehr geringem Maße als Präsentationsplattform für Street Art dienen. Natürlich, hin und wieder findet man ein tag, aber die großformatigen Werke haben allesamt „totes“ Material als Untergrund. Vielleicht, weil die schmucken bunten Holzhäuser in ihren unregelmäßigen Formen selbst wie künstlerische Installationen aussehen.

Auf den ersten Blick findet man in Bergen vor allem schnelle gezogene und lieblose tags. Der zweite Blick offenbart dann einige großformatigere Graffittis, die aber im überwiegenden Teil von schlechter Qualität sind. Aufkleber, Spuckis etc. findet man nur sehr selten an Laternen. Meist überwiegen Veranstaltungsankündigungen und politische Meinungsbekundungen. Die Cut Outs und Stencils dagegen sind nicht so zahlreich wie in den meisten mittel- und westeuropäischen Metropolen aber durchaus von guter Qualität. Interessant ist die Reflektion von älteren Werken, beziehungsweise von Interaktionen der Öffentlichkeit mit Street Art. Insgesamt kann man sagen, dass Bergen nicht unbedingt eine Vorreiterrolle im Bereich der Street Art einnimmt, aber durchaus einige sehenswerte Gestaltungstendenzen aufweist.

Bildmaterial

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Zunächst zwei Beispiele weniger gelungener Street Art wie man sie sehr häufig in Bergen sieht. Links ein tag am Stadtplatz, rechts ein Stencil mit Schmierparole. Alles sehr schnell gearbeitet, wobei der tag links durch sein Verlaufen eine gewisse Dynamik erhält und die Farbe der Schablone sich gut von der Farbe des Hauses abhebt.

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Hier zwei wertigere Vertreter. Schön der grafische Stil des Cut Outs „Fru Ktose“ und auch die Schablone rechts ist detailreicher gearbeitet worden als im ersten Fall.

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Die größe der einzelnen Werke variiert sehr stark. Während die rundfunkkritische Schablone nur DinA4 Format aufweist, schmücken die interessant gezeichneten Hände eine 3m hohe Wand eines Parkhauses.

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Immer wieder findet man auch politische / gesellschaftskritische Parolen. Dem Schriftzug nach dürfte es sich aber um andere Urheber handeln als bei den aufwendiger gestalteten Werken. Es gibt in der Innenstadt einige soziale Brennpunkte, vor allem der Konsum von harten Drogen in Parkanlagen fiel mir auf. Hinter der Fassade der zwangsverordneten Komplettsehenswürdigkeit ist eben nicht alles Holz was bunt ist.

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Zwei weitere Cut Outs. Den Charakter rechts findet man in ähnlicher Aufmachung auch an einigen anderen Plätzen der Stadt. Dennoch ist auch diese Gestaltungsform nicht zu weit verbreitet.

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Diese beiden Elemente gehören nicht wirklich zur Bergener Street Art. Da das Bekleben mit kleinformatigen Ausdrucken/Aufklebern in Bergen nicht sonderlich verbreitet ist, fallen die Hansa Rostock Aufkleber (denke ich habe mehr als 5 verschiedene an Laternen gesehen) umso stärker auf. Bei der Installation rechts handelt es sich um eine vom Zahn der Zeit angenagte Friseurreklame (Haarklipp und so…). Doch dies führte zu einer Interaktion…

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DinA4 Ausdrücke greifen das Motiv des Friseurladens auf. Humor nach meinem Geschmack.

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„Komm herein, hier ist Platz für alle!“ – entsprechend war das eingezäunte Gebäude dann auch verziert…

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Street Art minimalistisch… aber auffällig. Erinnert an die archaischen Bilder von Höhlenmalereien.

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Ein sehr großes Cut Out (3m Durchmesser) – ein wenig abseits gelegen, aber sehr beeindruckend.

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Graffitti – die Stühle haben es mir mehr angetan.

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Schaufenstergestaltung in einem 2nd Hand Laden.

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Vorzeigekunst mit Botschaft. Auch sehr gut. Handgezeichnet, weiß, DinA4, geklebt… eine einfache Botschaft die ankommt. Ich hoffe mit dieser kleinen Übersicht einen Einblick in den Entwicklungsstand der Street Art in Bergen gegeben zu haben. Sind doch diese Bilder und Installation mehr der Herzschlag des modernen Bergen, als das sich nicht mehr verändernde, wie unter einer Glashaube geschützte touristische Zentrum. Nichtsdestotrotz werden auch wieder paar Postkartenansichten kommen…  

Eine umfassende Sammlung zu Bergener Street Art, die auch die Straßennamen der meisten hier gezeigten Werke beinhaltet, weist dieser Blog auf: http://streetart-bergen.blogspot.com/

Teil II: In einem weiteren Artikel befasse ich mich mit der grafischen Interaktion der Künstler untereinander.

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