Tutorial und Tipps zur Ideefindung und Umsetzung
Die Idee
Das Wichtigste bevor man beginnt in Photoshop oder Gimp einen Flyer zu gestalten ist die Idee. Die Idee kann entweder ein komplettes grafisches Konzept samt Typo umschließen oder auch nur eine vage Tendenz sein, um die herum man die restlichen Elemente arangiert. Mein persönlicher Weg ist oft der letztere. Ich gehe verschiedenen Ideen nach in der EBV und prüfe deren Umsetzbarkeit. Grundsätzlich kann man dem minimalistischen geometrischen Ansatz folgen bei der Gestaltung, oder wie in diesem Falle, dem plakativen Ansatz. Der Flyer ist für eine Dubstep Veranstaltung in Bonn im Februar 2011. Wenn man nicht gleich einen kreativen Einfalls hat, kann ein Blick in digitale oder analoge Bilder Sammlungen die Lösung sein. Ich empfehle grundsätzlich alles Bildmaterial im Web was irgendwie interessant ist zu speichern – sei es nur als Inspiration oder aber auch als Vorlage für eine spätere Arbeit. Sehr empfehlenswert ist zum Beispiel das Buch „Die Grafik in der Kunst„. Ein 600 Seiten starkes Kompendium von Plakaten und Postern zwischen 1880 und 1980. Dabei werden so wichtige Stile wie Jugendstil, Expressionismus, Kubismus, Konstruktivismus und neue Moderne großformatig abgedeckt. Ein schier unerschöpfliches Potential an Verweisen in die Vergangenheit. Auch professionelle Grafikdesigner greifen auf die alten Plakatklassiker zurück, wie das Albumcover von Franz Ferdinand „You Could Have It So Much Better“ (2005) verdeutlicht. Denn das Design ist angelehnt an ein im Sinne des Konstruktivismus von Rodchenko 1924 entworfenes Poster:
Beim vorliegenden Flyer war die Idee das filmische Motiv in Fritz Langs Film „M – Eine Stadt sucht ihren Mörder“ (1931, äußert sehenswerte und aktuelle Thematik) aufzugreifen:
Die Bildsprache wurde abgewandelt auf die Musikrichtung Dubstep. Die Kinoplakate zum Film hab ich mir erst hinterher angesehen, die eigentliche Idee kam also aus dem Filmgeschehen selbst. Szenen wie die obige blieben in meinem Gedächtnis bewahrt, auch wenn es vermutlich schon mehr als fünf Jahre her ist, dass ich den Film zuletzt sah. Stilistisch ist das Plakat eher an Adolpho Mouron Cassandre angelehnt. Wobei natürlich eine Perfektion dieses Stil ausgehend von einem Foto ein extrem hoher Arbeitsaufwand wäre und dem schnelllebigen Medium Flyer nicht gerecht würde.
Die fotografische Grundlage
Nachdem man sich ein Konzept überlegt hat – oder noch besser – während der Überlegungen durchsucht man seinen fotografischen Fundus oder die Stockfoto seiten nach einer geeigneten Grundlage. Zu bedenken ist hierbei, dass das Bild das Interesse des Betrachters hervorrufen soll. Die Darstellung ist auch von der beworbenen Veranstaltung abhängig. Minimal Techno hat andere visuelle Ansprüche als ein Black Metal Konzert. Wobei es auch immer Ausnahmen solcher Regeln gibt. Wichtig ist noch zu bedenken, das Text und Informationen irgendwo auf der Bildfläche gefällig verteilt werden sollen.
Das in diesem Falle zugrunde liegende Bild wurde auf dem Gelände der Zeche Zollverein in Essen aufgenommen. Motivtechnisch besticht es durch gute Tiefenwirkung und prinzipielle Symmetrieachsen. Also eine gute Grundlage für eine Szene die auch in „Metropolis“ angesiedelt sein könnte. Natürlich wäre es leicht gewesen, das Bild einfach unverändert zu übernehmen, aber das wäre dann auch nur ein bezugsloses Hintergrundfoto gewesen. Das Bild sollte eine Geschichte erzählen.
Die Bearbeitung
Eine genaue Rekonstruktion der einzelnen Bearbeitungsschritte würde den Rahmen hier sprengen. Daher soll auf einzelne wichtige Bearbeitungspunkte eingegangen werden:
#1
Der Bereich der Decke wurde „geschnitten“ um den 3D Eindruck der Grundfläche für den Header zu verstärken. Dabei ist die Linienführung des Schnitts zu beachten. Durch einen leichten Schattenwurf wurde bei der Typo der Bildintegration Rechnung getragen.
#2
Die vorhandene Textur der Säulen wurde durch wietere Texturüberlagerungen verstärkt. Ebenso wurde künstliches Rauschen hinzugefügt, das auch insgesamt ausgleichend auf unruhige Texturen wirken kann. Ebenso geht die Texturüberlagerung in einem gewissen Umfang in die Farbgebung ein.
#3
Zum Schluss wurde um den Rand ein rechteckiger Rahmen gezogen und der äußere Inhalt mit „Ebene multiplizieren“ abgedunkelt um die gesamte Szene einzufassen und den Tunneleffekt zu betonen.
#4
Zur Verstärkung des Tunneleffekts wurde die Länge der Überdachung digital verlängert. Ein leichter radialer Farbverlauf bringt zusätzliche gelbe Akzente. Insgesamt wurden die Tiefen mit der selektiven Farbkorrektur leicht blau und die Lichter in einem warmen Ton gefärbt.
#5
Der Schienenbereich musste komplett ausgesparrt werden. Um einen realistischen Tiefeneindruck zu bewahren, wurde der Schattenwurf nachträglich imitiert.
#6
Die Silhouette ist Blickfang und Blickführung gleichermaßen. Ebenso ist sie Anregung für den Betrachter, sich eigene Gedanken zu machen zur Szenerie. Bei der Positionierung ist auf den richtigen Schattenwurf zu achten. Das rote D auf dem Rücken ist eine Hommage an Fritz Lang. Diese wird vermutlich nur von sehr wenigen Betrachtern verstanden. Aber kleine grafische Eastereggs sind durchaus legitim.
#7
Durch eine gleichmäßig helle Hintergrundfläche bleibt auch die Typo im unteren Viertel des Flyers gut lesbar. Eine leichte Verständlichkeit ist hierbei anzustreben.
Viel Spaß beim Entwerfen von eigenen Flyern!
sehr schön…tolle effekte mit vergleichsweise kleinem Aufwand. Oder nicht? Wie viele Stunden stecken da ca. drin?
mhm… würd mal sagen effizient 3h oder so… hab aber versehentlich (oder unversehntlich) zunächst mit einem Bild auf Webformatgröße gearbeitet und musste dann die dort getätigten Arbeitsschritte in einer druckfähigen Auflösung nochmal wiederholen.. dürften irgendwo in Bonn rumliegen die Flyer nehm ich an.