Chiemsee Felsen Ufer Sonnenaufgang

Kamera: Nikon Z8 

Objektiv: Nikon 14-24mm f4

Exifs: 14mm | 0,8s | f/16 | iso100

 

Der Drachenschwanz am Chiemsee

Wer an Landschaftsfotografie denkt, hat oft schöne Landschaften und unberührte Natur vor Augen. Aber natürlich zeigen Fotografen nur einen bewusst gewählten Ausschnitt der Umgebung. Ein klassisches Beispiel wären Liftanlagen der Skigebiete in den Dolomiten – würde man den üblichen Landschaftsfotos vertrauen, könnte man auf die Idee bekommen, dass es dort kaum Wintertourismus gibt. Das Gegenteil ist der Fall: An vielen Ecken sind die Dolomiten sogar übererschlossen und es ist gar nicht so leicht, die Ski-Infrastruktur aus dem Bild herauszuhalten. Letztendlich geht es bei solchen Ausblendungen aber vor allem darum, der “visuellen Belästigung” der Betrachter vorzubeugen. 

Die Fotografen werden darüber hinaus noch mit anderen Sinneseindrücken konfrontiert. Gerade an touristischen Hotspots. Dieses Bild gehört sicherlich zu den Top 3 der unangenehmsten Aufnahmesituationen. Es entstand an einer wenig malerischen Ecke des Chiemsees – am Autobahnparkplatz an der A8. 

Am Parkplatz selbst kann man an der Ufermauer noch relativ gut fotografieren. Nur der vorbei donnernde Verkehr wirkt sich negativ auf den Hörsinn aus. Für diejenigen, die sich der Wasserlinie nähern, beginnt dagegen ein Hindernislauf. Direkt unterhalb der Mauer warten Glasscherben und volle Windeln. Zwischen den Bäumen riecht es unangenehm nach Urin, menschliche Tretminen sind (vielleicht zum Glück) mit weißen Tüchern markiert. Da heißt es: Augen auf – nicht zu – und schnell durch. Der Schotter am Seeufer war dann zum Glück verhältnismäßig sauber. 

Warum tut man sich diese Lärm-, Augen- und Geruchsbelästigung dann überhaupt an? Weil dort am Parkplatz eine ungewöhnliche geologische Formation zu finden ist, die ich unbedingt mal fotografieren wollte. Für mich ist es immer eine spannende Herausforderung, auch an bekannten Orten noch neue Blicke und Kompositionen zu finden. So auch am Chiemsee. Im Frühjahr war der Seespiegel durch die magere Schneeschmelze 2025 extrem niedrig (hundertjähriges Minimum). Dadurch tauchten am Seeufer Strukturen auf, die normalerweise dezimeterhoch unter der Wasseroberfläche liegen. Am Autobahnparkplatz sieht man unter normalen Bedingungen kleine Steine aus dem Wasser ragen – durch den abgesunkenen Seespiegel schaute die komplette Felsstruktur heraus. Ich nenne sie den “Chiemsee Drachenschwanz”. Beobachtet hatte ich mein zukünftiges Motiv zuvor beim Vorbeifahren. Dabei handelt es sich um Sandsteinrippen der sogenannten “Baumannschichten”, die durch die Auffaltung der Alpen senkrecht gestellt wurden. Die geologische Struktur fand ich für den Chiemsee ungewöhnlich, daher begann ich ein Bild zu planen. 

Ich wählte einen wolkenverhangenen Morgen für die Aufnahme, fast metallisch lag der Seespiegel vor mir, durchschnitten vom Felsriegel. Richtung Sonnenaufgang zeigte sich am Horizont ein leichtes Leuchten, was ein wenig Hoffnung in die düstere Stimmung zeichnete. Schon bei der Aufnahme vergaß ich schnell den Lärm und den Parkplatz hinter mir – meine Konzentration galt dem weiten See vor mir. Eine Herausforderung war, die Felsen möglichst harmonisch in die Komposition einzubauen. Generell ein spannender Morgen – trotz der etwas abstoßenden Umgebung. Ich hatte das Gefühl, etwas Neues erschaffen zu haben. Natürlich gibt es spektakulärere Spots, aber Innovation gehört meiner Meinung nach zu den wichtigen Tugenden in der Landschaftsfotografie. 

Nachdem ich mit meinen Bildern durch war, kamen noch zwei Mitarbeiter vom Straßendienst zu mir an den schmalen Kiesstrand. So endete der Morgen mit einem netten Gespräch über den Verkehr, den See und den Chiemgau. 

 

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